Zwischen Fernsehen, Gaming und TikTok: Die richtige Bildschirmzeit für Kinder zu finden, beschäftigt alle Eltern. Hier findest du wissenschaftlich fundierte Empfehlungen und praktische Tipps für euren Medienalltag.
Medienpädagogin und Mediencoach bei der Initiative SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.
Digitale Medien prägen den Alltag unserer Kinder von klein auf. Schon Zweijährige wischen intuitiv über Tablets, Grundschulkinder zuweilen in Klassenchats und Teenager bewegen sich selbstverständlich zwischen TikTok, YouTube und Gaming-Welten. Das muss nicht gleich schlecht sein, denn Medien bieten auch Chancen: Sie vermitteln Wissen, fördern Kreativität und ermöglichen soziale Teilhabe.
Kinder brauchen aber Grenzen und Begleitung, um gesund mit Bildschirmen aufzuwachsen. Die entscheidende Frage ist nicht ob, sondern wie: Welche Bildschirmzeit ist in welchem Alter angemessen? Wie unterscheiden wir zwischen sinnvoller Nutzung und reinem Konsum? Und wie etablieren wir Familienregeln, die im Alltag wirklich funktionieren?
Die Frage nach der richtigen Bildschirmzeit beschäftigt Familien täglich. Die gute Nachricht: Es gibt wissenschaftlich fundierte Empfehlungen, die Orientierung bieten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) haben Leitlinien für den Familienalltag entwickelt:
0 bis 3 Jahre: Für Babys und Kleinkinder unter zwei Jahren empfehlen Kinderärzte, komplett auf Bildschirmzeit zu verzichten. Die Ausnahme: Videoanrufe, zum Beispiel mit Oma und Opa. Ab dem Alter von zwei Jahren braucht das Gehirn direkte Sinneserfahrungen. Zu früher Medienkonsum kann die Sprachentwicklung verzögern und zu Reizüberflutung führen.
3 bis 6 Jahre: Kindergartenkinder vertragen 30 bis 45 Minuten Bildschirmzeit täglich. Wichtig: Inhalte gemeinsam auswählen und besprechen. Programme wie "Die Sendung mit der Maus" oder altersgerechte Apps zum Malen und Puzzeln eignen sich gut. Das Tablet sollte aber noch nicht in Kinderhände wandern.
6 bis 10 Jahre: Mit dem Schuleintritt ist eine Stunde Bildschirmzeit täglich angemessen – Hausaufgaben am Computer zählen nicht dazu. Viele Grundschulkinder bekommen ihr erstes eigenes Gerät. Hier helfen klare Absprachen: erst Hausaufgaben und Bewegung, dann YouTube oder Gaming.
10 bis 14 Jahre: In der Vorpubertät steigt der Medienkonsum deutlich; WhatsApp, Social Media und Gaming werden wichtiger. Bis zu 90 Minuten täglich sind vertretbar, am Wochenende auch mal zwei Stunden. Jugendliche brauchen mehr Freiraum, aber auch klare Grenzen. Ein Wochenbudget von zehn Stunden Medienfreizeit gibt Flexibilität und fördert Eigenverantwortung.
14 bis 17 Jahre: Teenager nutzen Medien durchschnittlich drei bis vier Stunden täglich, Tendenz steigend. Starre Zeitvorgaben funktionieren häufig nicht mehr. Stattdessen: gemeinsam Regeln entwickeln, medienfreie Zeiten vereinbaren und über Inhalte im Gespräch bleiben. Social Media und Co gehört zur sozialen Teilhabe, erfordern aber Kommunikation, Transparenz, Grenzen und einen gesunden Ausgleich.
Bei all den Richtlinien ist wichtig zu beachten: Eine Stunde ist nicht immer gleich eine Stunde – der Unterschied zwischen passivem Netflix-Konsum und kreativem Gestalten einer Präsentation zum Beispiel ist enorm. Moderne Medienpädagogik unterscheidet zwischen verschiedenen Nutzungsarten, die auch für Eltern eine gute Orientierung sein können:
Aktive Mediennutzung fordert und fördert: Lern-Apps, die spielerisch Mathematik vermitteln, Programmier-Tools, die logisches Denken schulen, oder Kreativ-Apps zum Musikmachen – diese Bildschirmzeit ist wertvoll und darf ruhig etwas länger dauern. Passive Berieselung kann entspannen, sollte aber begrenzt bleiben. Endloses TikTok-Scrollen oder stundenlange Serienmarathons bieten wenig Mehrwert. Die Faustregel: Je jünger das Kind, desto wichtiger ist begleitete, interaktive Mediennutzung.
Gemeinsame Medienerlebnisse stärken die Familie. Der Filmabend am Wochenende, gemeinsames Spielen an der Konsole oder das Erstellen einer Familien-Playlist – geteilte Bildschirmzeit zählt anders als Konsum allein im Kinderzimmer. Auch Videocalls mit Verwandten sind sinnvolle Bildschirmzeit. Gerade Großeltern, die weiter weg wohnen, bleiben so im Leben der Kinder präsent. Diese soziale Komponente ist wertvoll und fällt nicht in die gleiche Kategorie wie Unterhaltungsmedien.
Jede Familie tickt anders. Die Kunst liegt darin, Regeln zu finden, die zum eigenen Alltag passen. Damit diese Erfolg haben, ist es sinnvoll, sie als Familie gemeinsam, flexibel und transparent zu entwickeln. Einige praktische Modelle:
Neben selbst gestalteten Familienregeln sind oft auch digitale Lösungen eine große Hilfe für den Alltag. Viele moderne Geräte bieten eingebaute Funktionen zur Regulierung der Bildschirmzeit.
"Alle anderen dürfen viel länger!" – "Nur noch diese eine Folge!" – Diese Sätze kennen wohl alle Eltern. Medienkonflikte gehören zum Familienalltag, entscheidend ist der konstruktive Umgang damit. Das Beenden der Bildschirmzeit gelingt zum Beispiel besser mit klaren Übergängen. Eine Ankündigung zehn Minuten vorher und ein Timer, den das Kind selbst stellt, nehmen dem Ausschalten die Dramatik. Direkt danach eine attraktive Alternative anzubieten – zum Beispiel eine gemeinsame Aktivität – erleichtert den Wechsel. Bei Wutausbrüchen heißt es durchhalten: Die Aussicht darauf, wann es wieder Bildschirmzeit gibt, hilft beim Loslassen.
Gruppenzwang und Druck aus dem sozialen Umfeld sind real. Kinder wollen dazugehören. Sie fühlen sich ausgeschlossen, wenn sie zum Beispiel als Einzige kein TikTok haben. Hier hilft es, Kontakt zu anderen Eltern zu suchen. Oft sind "alle anderen" gar nicht so viele.
Nicht zu vernachlässigen ist zudem Gerechtigkeit unter Geschwistern. Wenn die Zehnjährige länger fernsehen darf als der siebenjährige Bruder, führt das schnell zu Streit. Die altersgerechte Staffelung sollten Eltern klar erklären. Und selbstverständlich gehören auch Ausnahmen immer mal dazu: Krankheitstage, Regenwochenenden oder Ferien rechtfertigen längere Bildschirmzeiten. Wichtig ist, diese Ausnahmen klar als solche zu benennen und zeitlich zu begrenzen.
Ein zentraler Punkt beim Umgang mit Medien im Alltag ist die Vorbildrolle der Eltern: Kinder lernen durch Nachahmung, und Eltern, die ständig aufs Handy starren, können schlecht glaubwürdig strenge Regeln aufstellen und Bildschirmpausen einfordern. Der erste Schritt ist daher, die eigene Mediennutzung kritisch zu hinterfragen.
Besonders verletzend für Kinder ist das sogenannte "Phubbing" – wenn Eltern ihr Kind zugunsten des Smartphones ignorieren. Kinder lernen dadurch: Das Handy ist wichtiger als ich. Wenn das Kind etwas erzählt, sollte das Handy deshalb konsequent in der Tasche bleiben und das Kind angesehen werden, denn echte Quality Time braucht ungeteilte Aufmerksamkeit.
Auch Transparenz über die eigene Nutzung schafft Verständnis. Ein kurzes "Ich muss nur noch eine wichtige Mail beantworten" erklärt dem Kind, warum Mama oder Papa gerade am Handy ist. Die eigene Bildschirmzeit gemeinsam zu besprechen, kann helfen. Es muss klar sein: Alle befolgen die Regeln.
Jede Familie, jedes Kind ist anders, und die perfekte Bildschirmzeit-Regel gibt es ohnehin nicht – was bei den Nachbarn funktioniert, passt vielleicht nicht zu euch. Die WHO-Empfehlungen bieten Orientierung, sind aber keine Gesetze. Wichtig ist vor allem die Balance: Bewegt sich das Kind genug? Hat es Freunde und Hobbys? Sind die Schulleistungen stabil? Digitale Medien gehören zur Zukunft der Kinder, und Medienkompetenz ist eine Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts. Statt sie nur zu begrenzen, sollten Eltern Kinder befähigen, kompetent damit umzugehen und Inhalte kritisch zu hinterfragen – und ihnen so digitale Teilhabe ermöglichen.
Flipsi findet in dieser Folge raus, was in deinem Körper passiert, wenn du Computerspiele spielst und wie du merkst, wann es zu viel wird und dir nicht mehr guttut. Außerdem reist Flipsi bei seiner Expedition durch Tines Körper in ihr Gehirn. Das Gehirn liebt nämlich Erfolgserlebnisse und freut sich über jedes erreichte Level. So wie der Profi-E-Sportler Gaucho. Er beantwortet eine Spezialfrage von euch. Kinder- und Jugendpsychiater Dr. med. Daniel Illy ist unser Experte in dieser Folge. Natürlich gibt es auch wie immer ein Quiz zum Mitraten.
Unter 0800 1 265 265.